Die meisten Führungskräfte führen einmal im Jahr mit jedem ihrer Teammitglieder ein ausführliches Gespräch: das berüchtigte Mitarbeiterjahresgespräch. Feedback, Gehalt, Ziele und vieles mehr werden darin angesprochen. Und hier liegt die Krux: Um wirkungsvoll zu führen, reicht ansprechen nicht. Diese Formen des Mitarbeitergesprächs solltest du als Personaler oder Führungskraft beherrschen, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Das Wichtigste vorab: Das einmalige Mitarbeiterjahresgespräch ist ein Relikt aus alten Zeiten. Es bringt schlicht wenig, wenn sich Führungskräfte sich in der restlichen Zeit nicht um ihre Mitarbeitenden kümmern. Denn nur durch Kontinuität findet Kommunikation überhaupt erst statt. Damit Mitarbeitergespräche ihr Potenzial entfalten können, sollten sie regelmäßig mit stattfinden, und zwar mit wenigen Inhalten. Das bedeutet – nicht erschrecken – idealerweise solltest du Mitarbeitergespräche mindestens einmal im Monat führen.
Regelmäßiges Mitarbeitergespräch
Sich kontinuierlich mit seinen Mitarbeitenden zusammenzusetzen, klingt im ersten Moment nach sehr viel Aufwand. Aber durch die Häufigkeit fallen diese Gespräche meist sehr viel kürzer aus. In der Regel dauern sie nicht länger als 30 Minuten. Zudem sind sie sehr viel wirkungsvoller: Richtig durchgeführt bewirken sie eine Produktivitätssteigerung, wodurch sich die investierte Zeit schnell amortisiert. Über das Jahr betrachtet sparst du dir durch regelmäßige Gespräche sogar erheblich Zeit, weil Teammeetings und andere Zusammenkünfte kürzer ausfallen und es zu weniger Problemen kommt, wenn du mit deinen alles Relevante regelmäßig klärst.
Verdauliche Einheiten
Für den Anfang solltest du dich mit jedem Mitarbeitenden mindestens einmal im Monat zusammensetzen. So kannst du die Themen, die im klassischen Jahresgespräch meist im Schnelldurchlauf abgehandelt werden, eingehend besprechen – in verdaulichen und überschaubaren Einheiten. Das heißt konkret: pro Gespräch nur ein Thema wählen, um es ausreichend zu würdigen. So ist es beispielsweise sinnvoll, wenn du Feedbackgespräche mindestens einmal im Quartal führst und zusätzlich alle weiteren Gesprächsarten (Gehalt, Personalentwicklung, Ziele usw.) auf separate Termine aufteilst. In Summe ergeben sich so mindestens vier bis zwölf Mitarbeitergespräche pro Jahr. Je nach Unternehmen sind einige davon institutionalisiert, d.h. obligatorisch, einige sind situativ, d.h. nur dann zu führen, wenn es die Situation erfordert. Diese Gesprächsarten solltest du bei deiner Planung berücksichtigen:
1. Feedback-Gespräch für Mitarbeitende
Wenn es um Teamarbeit und effektives Management geht, sind Feedbackgespräche unverzichtbar. Du solltest sie mindestens quartalsweise durchführen, um eine tragfähige Beziehungsebene zu deinen Mitarbeitenden aufzubauen, ihre Motivation zu stärken und eine Leistungssteigerung zu erreichen.
- Frequenz und Dauer: 4 bis 12 x im Jahr,15-30 min.
- Zentrale Aspekte: Leistungsentwicklung und -steigerung des Mitarbeitenden, gegenseitiger Erwartungsabgleich zu Zielen, Verhalten und Leistungen, Anerkennung und Lob für geleistete Arbeit
- Fragen an den Mitarbeitenden: Wie schätzst du deine Leistung im letzten Quartal ein? Welche inhaltlichen/methodischen/fachlichen/persönlichen/… Stärken/Kompetenzen siehst du bei dir selbst? Was müsste geschehen, damit du diese noch wirkungsvoller einsetzen kannst? Mit welchen Aspekten warst du im letzten Quartal bei dir selbst nicht 100-prozentig zufrieden?
2. Feedback-Gespräch für Führungskraft, Team oder Unternehmen
Ein Feedbackgespräch ist keine Einbahnstraße. Auch du als Führungskraft solltest dir regelmäßig zu einzelnen Aspekten, z. B. Führungsstil oder Kommunikation, Rückmeldung aus deinem Team holen. Das gibt dir die Chance, dein Leadership Schritt für Schritt zu verbessern.
- Frequenz und Dauer: ca. 1 bis 2 x im Jahr, 15-30 min.
- Aspekte zur Auswahl: Kommunikation/Informationsfluss, Führungsstil, Arbeitsklima, Arbeitsplatz-Situation, Aufgabenverteilung, Erwartungen und Zusammenarbeit
- Fragen an den Mitarbeitenden: Über welchen Aspekt würdest du heute gerne sprechen? Wie zufrieden bist du mit der Kommunikation im Team, meinem Führungsstil etc.? Wo siehst du Verbesserungspotenzial? Wovon brauchst du mehr? Wovon brauchst du weniger? Was brauchst du ganz anders? Was soll genauso bleiben, wie es ist?
- Hinweis: Wichtig ist, dass das Feedback konstruktiv, spezifisch und auf Verhaltensweisen oder Situationen bezogen sein sollte, um einen effektiven Austausch zu fördern.
3. Personalentwicklungsgespräch
Ziel eines Personalentwicklungsgespräches ist es, den Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, sich beruflich weiterzuentwickeln. Was du stets im Blick behalten solltest: der Nutzen, den Weiterbildungen für Team und Unternehmen stiften. So bringst du Mitarbeiterzufriedenheit und Betriebsziele auf einen Nenner.
- Frequenz und Dauer: mind. 1 x im Jahr, ca. 30-60 min.
- Zentrale Aspekte: Leistungsrückblick, Stärken, Schwächen und Entwicklungspotenziale des Mitarbeitenden, Festlegen der Karriereziele, Abgleich mit den Unternehmenszielen, Erstellung eines mittelfristigen Entwicklungsplan
- Fragen an den Mitarbeitenden: Wo drückt der Schuh bei dir gerade am meisten? Mit welchen Aufgaben tust du dich gerade tendenziell schwerer als mit anderen? Wo siehst du gerade das größte Entwicklungspotenzial bei dir, um deine Produktivität nochmals zu erhöhen? Wo möchtest du dich innerhalb des Unternehmens hinentwickeln? Was ist dafür noch notwendig? Wie erreichen wir das?
4. Gehaltsgespräch
Zu den heikelsten Mitarbeitergesprächen gehört für viele Führungskräfte die Diskussion um das Gehalt bzw. eine leistungsgerechte Vergütung. Um den Termin souverän zu meistern, ist gute Vorbereitung nötig.
- Frequenz und Dauer: alle 1 bis 2 Jahre,ca. 10 -60 min.
- Vorbereitung: Gehaltsgrenze festlegen, Möglichkeiten zur Lohnkostenoptimierung, Marktdaten, Durchschnittsgehälter und Gehaltsstufen bereithalten
- Zentrale Aspekte: Gehaltsvorstellung des Mitarbeitenden + Begründung, Gehaltsverhandlung – Abgleich mit Arbeitsleistung und Unternehmenssituation, ggf. Möglichkeiten zur Lohnkostenoptimierung, Entscheidung und Abschluss
- Fragen an den Mitarbeitenden: Was sind deine Vorstellungen? Wie begründest du diese? Was ist für dich ein fairer Vorschlag, der deine Arbeitsleistung und die Gesamtsituation des Unternehmens berücksichtigt? Wie kommst du auf diesen Betrag, ohne dich mit Kolleg:innen zu vergleichen?
5. Kritik- und Disziplinargespräche
Wenn Mitarbeitende nicht im Sinne des Unternehmens handeln, sollten Führungskräfte ein Kritik- oder Disziplinargespräch anberaumen. Damit die Kritik wirkt, sollte sie vom üblichen Feedbackgespräch losgelöst erfolgen.
- Frequenz und Dauer: situativ, ca. 10 – 30 min.
- Vorbereitung: Fehlverhalten klar identifizieren und dokumentieren, Sammeln relevanter Fakten und spezifischer Beispiele, ggf. Vorabbesprechung mit Personal- und/oder Rechtsabteilung, um arbeitsrechtliche Streitigkeiten zu vermeiden
- Zentrale Aspekte: Gesprächseinstieg, geradlinige Benennung der Verfehlung, Reaktion des Mitarbeitende, sachliche Erläuterung des Fehlverhaltens, ggf. Stellungnahme des Mitarbeitenden, Aufzeigen konkrete Schritte und Kriterien, um Besserung des Verhaltens zu messen, Vereinbarung, Dokumentation und ggf. Follow-up
- Fragen an den Mitarbeitenden: Wie stehst du dazu? Wie kam es dazu? Wie kannst du sicherstellen, dass dieses Fehlverhalten nicht mehr vorkommt?
6. Demotivations- und Problemgespräche
Eine unterschätzte Form des Mitarbeitergesprächs ist das Problemgespräch. Dabei trägt es maßgeblich dazu bei, die Leistungsbereitschaft im Team und die Produktivität spürbar zu steigern. Denn: Nur wer Schwierigkeiten aufgedeckt, kann sie auch beheben und so Arbeitsfluss, Effizienz und die Motivation seiner Mitarbeitenden verbessern.
- Frequenz und Dauer: 2-4 x im Jahr, ca. 10-30 min.
- Zentrale Aspekte: Leistungs- und Effizienzhemmer, Hindernisse bei der Erledigung von Aufgaben, gestörte Prozesse oder Arbeitsabläufe, Projektverzögerungen
- Fragen an den Mitarbeitenden: Wo liegt gerade deine größte Herausforderung? Was demotiviert dich gerade am meisten? Was hemmt tagtäglich deine Produktivität im Unternehmen? Wo siehst du bei deiner Arbeitsausstattung / bei Projekt XY aktuell den größten Handlungsbedarf? Wie können wir das effektiv lösen?
7. Zielgespräche
Ganz ehrlich, Ziele werden überschätzt. Unserer Erfahrung nach richten sie häufig sogar mehr Schaden an als sie Nutzen stiften Denn: Selten sind Ziele so eindeutig formuliert, dass sie beim Mitarbeitenden weder zu Überforderung noch zu Unterforderung führen. Oft werden langfristige Vorgaben zudem von der Realität eingeholt, was sie in der Praxis hinfällig macht. (Mehr dazu). Was Ziele jedoch leisten können: manchen Mitarbeitenden als Orientierung dienen und sehr zielorientierten Mitarbeitende in bestimmten Fällen als Ansporn dienen.
- Frequenz und Dauer: 1-4 x im Jahr, ca. 30 min.
- Zentrale Aspekte: gemeinsames Erarbeiten von erreichbaren, kurzfristigen Zielen in Hinblick auf die Leistung und Entwicklung des Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit oder ein bestimmtes Projekt bzw. eine Aufgabe
- Fragen an den Mitarbeitenden: Welche Ziele würdest du bis zu unserem nächsten Gespräch stecken? Welche Aufgaben/Steps sind dafür konkret zu erledigen? Was brauchst du, damit wir diese Ziele erreichen?
- Hinweis: Ziele sollten spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitgebunden (SMART) sein, um eine klare Ausrichtung und Bewertung zu ermöglichen. Ein Spagat, der selten gelingt. Deshalb solltest du die Erreichung der Ziele – wenn überhaupt – vorwurfsfrei verfolgen.
8. Mitarbeiterjahresgespräch
Werden alle oder fast alle hier aufgelisteten Gespräche mit dem Mitarbeitenden geführt, ist ein Jahresgespräch im Prinzip hinfällig. Es entfällt, weil Team und Führungskräfte alles Wichtige regelmäßig miteinander besprechen. Ist es dennoch vorgesehen, solltest du diese Punkte beachten:
- Besprich nicht mehr als 2-3 Aspekte mit deinem Mitarbeitenden, z. B. Personalentwicklung, Feedback und Gehalt.
- Kläre die Gehaltsfrage stets zu Beginn, damit alle anderen Themen davon nicht überlagert werden.
- Sieh von der Festlegung von Zielen ab. Über einen Zeitraum von einem Jahr ändern sich Markt-, Team- und Unternehmenssituation oft so deutlich, dass Ziele in der Regel mehr schaden als nützen.
- Nutze das Gespräch, um herauszufinden, was deinem Mitarbeitenden gerade wichtig ist und wo er Probleme sieht. So drückst du deine Wertschätzung aus und kannst Motivationshemmer gezielt aus dem Weg räumen.
Warum zusätzlich ein wöchentlicher Jour fixe wichtig ist
Neben den übergeordneten Gesprächen sollten Führungskräfte zusätzlich einen wöchentlichen Jour fixe mit ihren Mitarbeitenden einplanen. Hier besprichst du, was für den Erfolg des Unternehmens und deines Teams wesentlich ist: das Tagesgeschäft. Damit dieses reibungslos und effizient abläuft, solltest du mit deinen Mitarbeitenden mindestens wöchentlich über aktuelle Prozesse und Projekte sprechen – vor allem darüber, an welchen Stellen es hakt. Was unbedingt zu berücksichtigen ist: Es geht nicht primär darum, Fehlverhalten festzustellen oder Kritik zu äußern. Es geht darum, gemeinsam konstruktiv und vorwurfsfrei Hindernisse aus dem Weg zu räumen und so den Weg zu mehr Produktivität zu ebnen.
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Sind wirklich so viele Mitarbeitergespräche nötig?
Nein. Wie viele Mitarbeitergespräche nötig sind, hängt von der spezifischen Unternehmens- und Teamsituation ab. In Betrieben, in denen die Mitarbeitenden weitestgehend selbstständig arbeiten, sind Kommunikation und Feedbackkultur oft so ausgeprägt, dass zusätzliche Gespräche mit dem Vorgesetzten nur nach Bedarf stattfinden. Als Führungskraft entscheidest du selbst, welche Gesprächsarten für dich und dein Team den größten Nutzen stiften.